Nationalpark Cabrera
Unser Motor funktioniert wieder! Rechtzeitig zur Ankunft unseres neuen Crewmitglieds für die nächsten paar Tage. Peters Cousin Daniel hat seinen Urlaub verlängert, nachdem seine Kreuzfahrt in Palma geendet ist, zufällig genau zur selben Zeit zu der wir auch dort sind.
Wir holen ihn vom Flughafen ab und fahren mit dem Bus nach Sa Rapitá, wo unser Boot noch immer liegt. Unser Ziel für die kommenden zwei Tage ist der Nationalpark Cabrera, mehrere Inseln südlich von Mallorca. Es sind nur 13 Seemeilen und bei gutem Halbwind segeln wir die Distanz in 2,5 Stunden. Wir machen in der gut geschützten Bucht auf der größten Insel an einer vom Nationalpark ausgelegten Muringboje fest.
Am nächsten Tag wollen wir zu Fuß die Insel erkunden. Wir legen am Steg der kleinen Taverne an und informieren uns über die möglichen Ausflugsziele. Es gibt nur wenige Wege, die im Nationalpark ohne Führung begangen werden dürfen, um die Natur zu schützen. Es gibt einige endemische Pflanzenarten auf der Insel, die entweder nur auf den Balearen oder überhaupt nur auf Cabrera vorkommen.
Wir beschließen zuerst in Richtung Leuchtturm zu gehen. Der Weg schlängelt sich zuerst an der Bucht entlang und dann den Hügel hinauf. Der Weg endet mit Blick auf den Leuchtturm, denn dort ist abgesperrt und man darf den Teil nur mit Nationalparkrangern betreten. Wir beschließen eine Pause zum machen und beobachten ein paar Eidechsen. Zuerst sind sie noch sehr vorsichtig und lassen sich nur kurz blicken. Darum verhalten wir uns ruhig. Mit der Zeit werden sie immer mutiger, sodass sie dann nicht nur zwischen unseren Füßen, sondern sogar auf unseren Schuhen und Unterschenkeln herumwuseln. Auch der dunkle Rucksack ist sehr beliebt und ein besonderer Frechdachs klettert sogar hinauf und fällt kurzerhand auch in den offenen Rucksack hinein. Zum Glück ist er auch genauso schnell wieder draußen wie er drinnen war.
Wir lassen die Eidechsen hinter uns und gehen den Weg wieder zurück in Richtung Museum. Das hat leider geschlossen, aber wir gehen eine Runde durch den kleinen botanischen Garten, der die Pflanzen zeigt, die im Nationalpark wachsen. Von dort gehen wir weiter hinauf zum Franzosendenkmal. Hier lernen wir, dass diese idyllische einsame Insel, eine sehr dunkle Vergangenheit hat. Nach einer Schlacht im spanischen Unabhängigkeitskrieg wurden (je nach Quelle) rund 18.000 französische Gefangene auf die Insel verbannt. 1809-1814 wurden sie dort festgehalten und wenig bis gar nicht versorgt. Aufgrund der schlechten Lebensbedingungen überlebten nur 3000-4000.
Zuletzt steht noch die Burg über der Einfahrt zur Bucht am Plan, doch davor stärken wir uns noch bei einer korsisch-spanischen Brettljause. Am Fuße der Bug hat man bereits einen schönen Blick über die Bucht, aber wir wollen noch weiter hinauf. Man muss schon halbwegs schlank und schwindelfrei sein um über die enge Wendeltreppe aus Stein hinaufzukommen, wir bleiben sogar mit dem Rucksack hängen. Wir genießen den Ausblick über die Bucht, nach Mallorca und einigen der anderen zum Nationalpark gehörenden Inseln.
Bevor es zurück aufs Boot geht, kehren wir noch in der kleinen Taverne ein, in der kurioserweise noch zwei weitere Partien aus Österreich sitzen. Nachdem für den kommenden Tag Gewitter mit Sturmböen und Hagel vorhergesagt sind, entscheiden wir kurzerhand eine weitere Nacht in der gut geschützten Bucht zu verbringen.
Schon in der Früh warnen die Parkranger jedes Boot vor dem Gewitter, das am Nachmittag kommen soll und empfehlen eine zweite Leine an der Muringboje auszubringen. Wir machen es wie empfohlen und auch noch einiges zusätzlich: wir machen das Dinghy (unser kleines Schlauchboot) am Vordeck fest, binden das Vorsegel und den Segelsack vom Großsegel nochmal extra zu, verstauen die Solarpanele unter Deck und bauen das Bimini (unseren Sonnenschutz) ab. Einige Bootsnachbarn tun es uns gleich, andere hingegen machen nicht mal den Segelsack zu (ein „loses“ Segel kann in einem Sturm nicht nur kaputt gehen, sondern dadurch wirken auch mehr Kräfte aufs Boot und wiederrum auch auf die Muringboje). Den restlichen Nachmittag verbringen wir mit Brettspielen und warten auf das Gewitter. Zum Glück streift es uns nur und die maximalen Böen haben nur 20-25 Knoten (40 km/h). Es regnet kurz und dann ist es auch schon wieder vorbei. Wir können also alles wieder aufbauen bevor die Sonne untergeht.
Am nächsten Tag geht es bei ähnlich guten Segelbedingungen zurück nach Sa Rapitá, aber diesmal in die Marina. Dort verbringen wir noch einen letzten gemütlichen Abend mit Daniel, bevor es für ihn tags darauf wieder nach Hause geht. Schön, dass wir dich mit dem Segelvirus infizieren konnten 😉
Wir haben die Ruhe auf der kleinen Insel sehr genossen und können den Abstecher wärmstens empfehlen.
Geschichte von Cabrera
Der spanische Unabhängigkeitskrieg dauerte von 1807 bis 1814. Napoleon wollte die Portugiesen in die Handelsblockade gegen die Briten einbinden und verlangte zuerst nur Durchzugsrecht durch Spanien. Allerdings besetzten seine Truppen trotzdem auch Spanien, stellte König Karl und seinen Sohn Ferdinand unter Hausarrest und machte wiederum seinen Bruder Joseph zum König Spanies. Die spanische Bevölkerung lehnte sich gegen die Franzosen auf und ihren neuen König auf. Die Landbevölkerung wehrte sich mit Mistgabeln und anderen einfach Waffen gegen die Eindringlinge und ihre modernen Geschütze und Bajonette. Bis 1814 kostete dieser Guerillakrieg wohl 200.000 bis 300.000 Franzosen und mehr als doppelt so viele Spanier das Leben. [1]
Rund 18 000 Gefangene aus der Schlacht von Bailén im Jahr 1808 wurden auf diese kleine mallorquinische Insel gebracht. Es heißt, dass nur zwischen 3.000 und 4.000 überlebten. In den Memoiren einiger Überlebender werden Szenen von Folter, Hunger, verzweifelten Fluchtversuchen, Selbstmord und sogar Kannibalismus beschrieben.
Es ist schwierig, in der Presse ab 1809 irgendeinen Hinweis auf die Behandlung zu finden. Eine der Ausnahmen findet sich in einem Artikel, der am 24. August 1813 im „Diario de Palma“ veröffentlicht wurde: „Die Menschheit schreit vor Entsetzen. Es erschüttert das härteste Herz, dreitausend oder mehr Männer auf einer verlassenen und unbewohnten Insel ausgesetzt zu sehen, im Freien, nackt und sogar verhungert. Wären sie grausame, bewaffnete Feinde, so dürften wir keine kaltblütige Vergeltung mit grausamsten Qualen üben. Die Religion verbietet es, und die Natur ist gestört. Ein solches Verhalten hat es in den Kerkern von Algier und Tunis nie gegeben, ebenso wenig wie bei der Brutalität der Tataren. Dies scheint nichts anderes zu sein, als Menschen ins Grab zu schicken, bevor sie sterben. Ja, die Insel Cabrera ist das Grab der Gefangenen. Ist das in Spanien, im Herzen des Katholizismus, glaubwürdig?“, fragte sich dieser Leitartikel, während der Unabhängigkeitskrieg noch tobte.
Alles begann mit der Kapitulation der etwa 20.000 einmarschierenden Soldaten und der Unterzeichnung der Kapitulation von Andújar drei Tage später. Darin verpflichteten sich die Franzosen, Andalusien zu verlassen und ihre Waffen abzugeben, während Spanien das Leben der Verwundeten garantierte, bis diese nach Frankreich zurückgeführt werden können. Am 10. August 1808 mussten die spanischen Behörden jedoch feststellen, dass es nicht genügend Schiffe gab, um die Gefangenen zu transportieren, und die Briten wurden um Hilfe gebeten. Die Briten stimmten zu und schickten die Franzosen auf eine Reise durch Andalusien nach Sanlúcar de Barrameda, wo die Gefangenen aufgrund der schlechten Verpflegung und der Ruhr die ersten Strapazen auf sich nehmen mussten. Der Militärgouverneur von Cádiz beschloss daraufhin, sie loszuwerden. Die Gallier begannen die Hoffnung zu verlieren, ihre Freiheit zu erlangen.
Nach mehrmonatiger Überfahrt mit unbekanntem Ziel landete ein Teil der Schiffe auf den Kanarischen Inseln und der Rest, etwa 10.000 Gefangene, auf Mallorca. Als dieses zweite Kontingent in Palma anlegen sollte, kam es zu großen Protesten der örtlichen Behörden und der Bevölkerung, die die Schiffe zwangen, den Kurs zu ändern und die Gefangenen auf der Insel Cabrera auszuladen. Die spanische Bevölkerung empfand berechtigten Groll nach dem Verrat Napoleons, der versprochen hatte, Spanien friedlich zu durchqueren, um in Portugal einzumarschieren, sich dann aber daran machte, alle Städte auf seinem Weg zu erobern und dem Erdboden gleichzumachen und dabei alle möglichen Schandtaten an der Bevölkerung zu begehen.
Die Ablehnung war also groß und die französischen Gefangenen landeten nach einer einjährigen Reise auf dieser nur 16 Quadratkilometer großen Insel ohne Gebäude und Ressourcen zum Überleben. In diesem natürlichen Gefängnis, das fünf Jahre und einen Monat lang in Betrieb war, waren die Gefangenen unter unmenschlichen Bedingungen zusammengepfercht und verfügten kaum über Ressourcen. Nur ein paar wilde Ziegen und eine kleine Quelle mit einem Rinnsal Wasser. Die Hoffnung, dass diese Odyssee nur ein Zwischenstopp auf dem Weg nach Frankreich war, schwand allmählich. [2]
Theoretisch trafen alle vier Tage Vorräte auf Cabrera ein, während spanische und britische Kriegsschiffe Wache hielten. Die einzige Süßwasserquelle versiegte im Hochsommer. Die wenigen Ziegen und Kaninchen auf dem Eiland wurden schnell gejagt und gegessen. Am Ende des ersten Monats waren 62 Männer gestorben (eine jährliche Sterblichkeitsrate von 20 %). Zwischen Mai 1809 und Dezember 1809 starben 1700 Soldaten. Im Jahr 1810 lebten von einer 75 Mann starken Einheit der kaiserlichen Garde nur noch 17. Der ranghöchste Offizier schrieb, dass „sie alle praktisch nackt, blass und ausgemergelt waren: sie hatten so lange nichts gegessen, dass sie wie Skelette aussahen“. Während der viertägigen Unterbrechung der Nahrungszufuhr starben mehr als 400 Männer. Nach der Hälfte ihrer Gefangenschaft sank die Moral der Männer aufgrund des Hungers und der Erkenntnis, dass sie niemals zurückkehren würden. Die Gefangenen kochten ihre eigene Kleidung, aßen giftige Pflanzen und begannen, wie es heißt, ihre eigenen Exkremente und die Leichen ihrer toten Kameraden zu verschlingen. Die Männer wurden wahnsinnig und flüchteten in Höhlen, wo sie die jetzt entdeckten Botschaften der Verzweiflung aufzeichneten. Sie waren die so genannten Tataren. Als die vergessenen Gefangenen Napoleons schließlich 1814 zurückgeführt wurden, waren nur noch 2 500 der ursprünglich 12 000 Gefangenen am Leben. [3]
Im Jahr 1890 ging die Insel in den Besitz der Familie Feliu über, die den Weinanbau einführte und die Wiederbesiedlung der Insel förderte. Im Jahr 1916 wurde sie aus strategischen Gründen vom Verteidigungsministerium enteignet, und es wurde eine kleine ständige Garnison von dreißig Mann eingerichtet. In den 1940er Jahren wurde sie in einen Militärstützpunkt und ein Manövergelände für die Armee umgewandelt. Im Jahr 1988 leitete das Parlament der Balearen schließlich den Prozess zur Erklärung des Cabrera-Archipels zum maritim-terrestrischen Nationalpark ein, welcher März 1991 abgeschlossen ist und Cabrera damit offiziell ein Nationalpark ist. [4]
Quellen (teilweise übersetzt aus dem Spanischen):
[1] Spanien vs. Napoleon: „Franzosen wurden in kochendes Öl geworfen“ - WELT
[2] «Cabrera, el sepulcro de los prisioneros franceses»: el primer campo de concentración de la historia fue español (abc.es)
[3] Del canibalismo a la locura: el atroz destino de los 12.000 de Napoleón en la isla de Cabrera (elconfidencial.com)
[4] Parques Nacionales. Centro Nacional de Información Geográfica (cnig.es)