Lanzarote: Homecoming 2.0

Nach 5 Tagen sehen wir Land, für uns bekanntes Land. Hier haben wir unsere ersten Seebeine verdient. Von Norden kommend ist neben Lanzarote selber, auch Graciosa die einzige bewohnte Nebeninsel sichtbar. Wir schwelgen in guten Erinnerungen, war doch gerade Graciosa eines unserer absoluten Highlights unserer 3-wöchigen Segelscheinzeit 2017. Die kleine Insel mit zwei Dörfern hat nur Sandstraßen und es gibt zur Fortbewegung Quads. Autos gibt es nicht und braucht es nicht. Wir lassen Graciosa diesmal aus und fahren direkt in unsere erste „Heimatmarina“ - Marina Rubicon - ganz im Süden von Lanzarote. Wir kommen in der Früh an und werden gleich von unseren Segellehrern Chris und Mandy begrüßt. Nach 2 Monaten Reise fühlt es sich tatsächlich ein bisschen nach Heimkommen an.

Lanzarote haben wir ein wenig kennen- und liebengelernt, da wir damals allerdings vor allem gesegelt sind, wollen wir die Insel diesmal noch näher erkunden. Die ersten Tage verbringen wir damit mit Chris, Mandy und John, einem Verwandten von Chris, uns auszutauschen. Wir tauchen in deren britisches Auswandererleben ein, sind beim britischen Pubquiz und besuchen ihr Haus, das als Ferienhaus konzipiert wurde, jetzt allerdings permanent bewohnt wird. Sie erzählen uns von ihren zwei Reisen in die Karibik und ihren Highlights dort. Chris ist überhaupt schon viel herumgekommen, da er sowohl in der britischen Marine als auch viele Überstellungsfahrten von Segelbooten gemacht hat, und gibt uns Tipps für die Kanaren und Mindelo auf den Kapverden. Mandy zeigt uns die besten Supermärkte zum Proviantieren. Wir realisieren noch nicht ganz, dass die große Etappe über den Atlantik kurz bevorsteht, haben wir doch noch 2 Wochen auf Lanzarote vor uns.

Um nicht völlig in Bootsarbeit und Vorbereitungen zu versinken, borgen wir uns einen 3 Rad Roller aus, da es kein Auto für das Wochenende gibt, und fahren damit in den Norden. Dort werden wir eine Nacht in einem liebevoll renovierten Hotel dem Casa de los Naranjos „Haus der Orangen“ in Haria verbringen. Der Norden der Insel hat uns letztens besonders in den Bann gezogen. Dank des Künstlers César Manrique hat Lanzarote sehr früh einen Kurs in Richtung sanftem Tourismus eingeschlagen und ist großteils von schachteligen Hotelbauten an der Küste verschont geblieben, allerdings nicht im Südosten. Von Playa Blanca bis Arrecife ist der Mainstream Clubtourismus relativ ausgeprägt und die Küste teilweise auch gut verbaut. Marina Rubicon liegt da am südlichen Ende dieser Zone und ist selbst sehr touristisch mit teilweise riesigen Hotelbauten und Ferienhaussiedlungen. Das Landesinnere und die Küste abseits dieses Abschnittes ist allerdings sehr ursprünglich, dank des frühzeitigen Aktivismus des Künstlers. Er zeigte den Leuten einen anderen Weg, eine Architektur mit Seele, eine Verschmelzung aus traditionellen Elementen mit modernen Einflüssen, aber stets im Einklang mit der Umgebung. Abseits der kleinen traditionellen Siedlungen und der magischen Vulkanlanschaft sind es daher vor allem architektonische Werke (oft gibt es keine klare Trennung zwischen Kunstwerk und Bauwerk) von César die man auf der Insel heute noch bewundert.

Ines führt uns nach kurzer Gewöhnungsphase auf unseren spacigen Roller souverän gen Norden. Unser erster Stopp ist das Weingebiet. In einzigartiger Manier wird der Wein in aus der Vulkanasche ausgehobenen Löchern (mit ca. 8 m Durchmesser und 3 m Tiefe) mit einer kleinen, schützenden Mauer in Windrichtung , angebaut. Die wichtigsten Sorte ist der Malvasia und da es die Reblaus nie auf die Insel geschafft hat, sind es noch rein europäische Weinstöcke. Diese Löcher mit den kleinen Weinstöcken prägen im mittleren Süden die Landschaft und sorgen für ein einzigartiges Gesamtbild. Diese Art von Weinbau ist durch die enge Grubenbeflanzung sehr arbeitsintensiv. Der Wein ist daher relativ teuer (15€ aufwärts für eine Flasche). Bei einem Besuch auf dem einem alten Weingut erfahren wir, dass die Sklaverei auf diesen Weingütern auch weitverbreitet war. Die Kanaren waren logischerweise einer der ersten Stopps der klassischen Karibikroute. In dieser düsteren Zeit der Ausbeutung wurde Sklaven in die Karibik und Zuckerrohr, Rum, Gewürze und Baumwolle nach Europa verschifft. Wir segeln den Teil dieser alten Route in Richtung Karibik, aber nicht heute, heute geht es erstmal weiter Richtung Teguise.

Die alte Hauptstadt ist mehr ein pittoreskes Dorf. Wir spazieren durch und genießen die urigen kleinen Häuschen bei einem Kaffee und Kuchen unterm Baum. Danach geht es weiter über die ersten Berge in Richtung des grüneren Teils der Insel. Mit spektakulären Ausblicken schlängelt sich die Straße durch die Vulkanfelsen. Ines kämpft sich sauber um jede Kurve auf den engen Straßen. Haria, unser heutiges Ziel, begrüßt uns mit verhältnismäßig viel Grün. Es ist das Dorf der Palmen, in dem, der Legende nach, für jedes geborene Mädchen eine und für jeden geborenen Burschen zwei Palmen gepflanzt wurden. Wir checken in unseren Hotel ein. Was für ein Luxus! Ein herrlich renoviertes Anwesen mit alter Bibliothek, Lesezimmer, Patio und Speisesaal ist liebevoll von einem Madrilenen renoviert worden. Es gibt 8 originelle Zimmer. Erstmals seit langem schlafen wir in einem Bett mit mehr als 30 cm Breite bei den Füssen und genießen eine Dusche in einem riesigem lichtdurchfluteten Badezimmer.

Nachdem wir uns kurz erholt haben machen wir uns noch auf den Weg in das Haus von César Manrique. Dort lassen sich seine architektonischen Spielereien hautnah am besten erleben. Das Haus vereint traditionelle Elemente mit modernen wie einem fließenden Übergang des Badezimmers und der draußen liegenden Landschaft. Der Künstler starb in den späten 90ern, allerdings erleben wir seine Aktivismus, in Zeiten wie diesen, wo vielerorts die Entkoppelung von lokaler Bevölkerung und Touristen zu Protesten führt, als äußerst zeitgemäß. Ebenso besticht seine Kreativität mit der er Bauwerke und Natur verbindet. Die Ideen erinnern fast ein wenig an kindliche Kreativität, welche man sich als Erwachsener oft nie umzusetzen traut.

Nach dem Haus schlendern wir noch durchs Dorf in der kleinen Hauptgasse herrscht reger Trubel. Leute sitzen und unterhalten sich draußen, es wird musiziert - einfach herrlich. Für uns geht es heute allerdings zu einem romantischen Dinner bei Kerzenlicht in unserem Hotel. Nach köstlichem Fisch und einem kanarischen Schweinebraten geht es ab in unser Prinzessinnenbett.

Am nächsten Tag geht es zu einer Wanderung zum Strand. Eine 400 m hohe Steilwand schlängeln wir uns ungewohnt zuerst runter zum Strand, wohlwissend, dass der Aufstieg am Ende des Tages bevorsteht. Der Strand belohnt mit unterschiedlichen Landschaften, ein Teil besteht aus einer Mischung aus bewachsenen Sanddünen und Vulkanstein daneben ist eine riesige Sandstrandbucht mit Ausblick auf die nur einen Katzensprung entfernte Insel Graciosa. Wir suchen uns eine der Vulkansteinunterschlüpfe aus und schlagen unser Lager auf. Zweimal baden wir uns im herrlichen Wasser. Wir müssen heute wieder zurück zu unserem Boot daher begeben wir uns relativ früh wieder zum Aufstieg. Es geht wieder in einer einstündigen Fahrt zurück nach Rubicon. Montagmorgen tauschen wir unseren spacigen Roller gegen einen elektrischen Fiat 500.

Am Tag darauf geht es mit unseren Segelfreunden Noa und Josef von der Marlin auf einen Vulkankrater im Südwesten der Insel. Dieser Teil der Insel ist karg, geprägt vom letzten riesigen Ausbruch 1730-1736. Doch sind die Krater und die Landschaft farbenfroh. Rottöne, schwarz, grün von Flechten und Brauntöne. Wir schaffen es rechtzeitig vor dem Sonnenuntergang auf den Gipfel.

Am Boot gibt es Schnitzel mit den Gummihammmer geklopft - 1 kg Schweineschnitzel und 1 kg Hühnerschnitzel. Dazu handgeschnittene doppeltfrittierte Pommes. Wir verbringen einen netten Abend mit Noa, Josef, Janine, Micha und Kathie (von der Seven) und verspeisen beinahe alles.

Dienstags geht es zu unserer zweiten Runde Pubquiz mit unseren Segellehrern. Diesmal sind wir schon mehr im Modus, oft sind wir sehr verlorenen in den sehr britischen Fragen, genießen daher vor allem das Ambiente und die Gesellschaft. Immerhin können wir ein wenig bei Musik, Geographie und Promigesichtern punkten.

Endlich kommt unser Freund Stefan, der uns 2 Monate bis in die Karibik begleiten wird. Wir holen in vom Flughafen ab und damit beginnt ein neues, geselliges Kapitel. Elektroauto super, nicht so super es funktioniert nur eine von 5 Ladestationen in Playa Blanca. Daher suchen wir eine Ladestation und werden in einem Supermarkt in Arrecife fündig. Wir frühstücken dort mit Stefan schlendern durch die Stadt und erledigen einen ersten Teil des Einkaufs für die Passage im Hyperdino Supermarkt. Es kostet uns einen Anruf das Auto vom Strom zu bekommen, dafür ist es gratis. Halbwegs geladen düsen wir in die Marina. Abends gibt es Wraps von Kathie, Janine und Micha und den Rest vom Thunfischfang von Noa und Josef auf der Seven. Donnerstags machen wir einen kurzen Segeltrip mit unseren Segellehrern Chris und Mandy und John. Da das Wetter regnerisch ist und unsere kanarenverwöhnten Segellehrer sich vom Regen entwöhnt haben, sind wir nach 4 Stunden wieder im Hafen. Ein kurzer aber lustiger Trip. Abends gibt es endlich Paella für Ines, da Stefan eine mit ihr teilt. Freitags beginnen wir uns vorzubereiten und erledigen den ersten Großeinkauf. Zuerst geht’s in den Baumarkt. Wir kaufen eine Nietenzange, eine Kette für unseren Dhinghymotor, Gummikübel und Schlösser um die Backskisten versperren zu können. Danach geht’s in den Gastrogroßmarkt. Dort kaufen wir für über 600€ Vorräte von Bohnen bis zum Notwasser und ca. 250 Tortillas. Wie durch ein Wunder bekommen wir all die Einkäufe und 3 Personen in den kleinen Elektroflitzer.

Abends sind wir mit zwei britischen Seglern und John essen, ausnahmsweise kommen wir mal nicht zu spät ins Bett. Samstagmorgen steht erstmal Auto ausräumen am Plan, denn heute ist eine Inselrundfahrt geplant. Nachdem wir die 20 Sackerl und 100 l Wasser an Board gebracht haben, machen wir uns auf den Weg. Der erste Stopp liegt an der kargen Südwestküste bei den Salinas de Janubio. Weit erstrecken sich die rechteckigen Kästen der Salinen mit den unterschiedlichen Trocknungsstadien des Salzes, welche jedem der Kästchen eine andere Farbe verleiht. Wir kaufen noch Fleur de Sal. Danach geht’s direkt an die Küste daneben. Wir wandern über spitze und scharfe Lavasteine und beobachten gut eine Stunde, wie die Wellen an den Steinen brechen und sich das Wasser seinen Weg sucht. Nächster Stopp ist der Kaktusgarten. Dort findet man in einem in den Boden versetzten Kreis, ein wenig wie ein antikes Theater, einen liebevoll von César Manrique angelegten Garten mit Kakteen aus aller Welt.

Mittagessen gibt es in Arrieta einem kleinen Fischerort. Dort gibt es eine der verlässlich funktionierenden Ladestationen. Also laden wir unsere Energie in einem kleinen Restaurant, mit Fisch und Steak direkt am Meer auf, während unser kleiner Flitzer am Schnellader lädt. Wie einfach es ist, wenn die Ladestationen funktionieren! Unser nächster Stopp Jameos de Agua - ein schwer zu beschreibendes, verspieltes Werk von César. In natürlichen Vulkansteinhöhlen hat er unter anderem eine Bar, einen Swimmingpool, ein kleines Häuschen und ein spektakuläres Theater eingebettet. Im Wasser der Grotte leben Albinokrebse.

Danach geht’s über Orzola, einem kleinen Dorf an der Nordspitze, wieder an der Westküste gen Süden. Zuerst sehen wir uns allerdings noch den spektakulären Sonnenuntergang von der Steilküste an. Nachher schnuppern wir noch ein wenig Abendstimmung in Haria bei einem Bier und später in Teguise in einer Bar mit Pintxos (kleinen Häppchen). Den Abend lassen wir dann gemütlich am Boot ausklingen.

Unser Abfahrtsplan konkretisiert sich. Wir wollen jedenfalls Montags los. Je nach Lage auf eine andere Kanarische Insel oder direkt nach Mindelo. Dann wacht Ines in der Nacht mit Fieber auf. Am nächsten Tag ist es etwas besser und es ist vor allem Halsweh und Husten was bleibt, dennoch erholt sie sich, was heißt Stefan und ich haben alleine das sportliche Programm unser Boot abfahrtsbereit zu bekommen. Weil 100 Liter Wasser und 10 Einkaufsackerl in unserem kleinen Boot nicht genug sind, fahren wir nochmal in den Supermarkt (tatsächlich müssen wir das Auto zurückgeben und fahren davor noch Obst und Gemüse besorgen). Mit weiteren 5 Säcken kehren wir wieder zurück. Ein monumentaler Einräumtask beginnt. Wohlgemerkt war unser Boot vor dem Proviantieren fern von leer, haben wir doch jede Menge Vorräte noch aus Italien. Anfangs sehen wir uns nicht aus und es dauert bis zum späten Nachmittag bis sich das Chaos lichtet. Abends sieht es dann einigermaßen in Ordnung aus, es bleiben noch einige Arbeiten für Montag, aber wir sind optimistisch. Ines Zustand stabilisiert sich zumindest und angesichts eines guten Wetterfensters peilen wir weiter eine Abfahrt an.

Der Montag verläuft nochmal stressig. Gleich morgens nochmal auf den Mast, die kaputte Gennakerrolle tauschen. Danach ins Marinaoffice Karten für die Duschen retournieren. Um 11 Uhr müssen wir raus. Mit noch einigem Chaos an Bord verlassen wir unseren Liegeplatz um vor der Marina nochmal kurz zu ankern. Wir stellen fest, dass der Motor wieder mal heiß ist. Also ab ins Wasser ein kleiner Tauchgang mit unserm Airbuddy, einem kleinen Kompressor, der mitschwimmt und mich über einen Schlauch mit Luft versorgt. Der Salzwassereinlass ist frei und funktioniert diesmal, also checken wir den Kühlmittelstand, der sieht trocken aus. Wir füllen Kühlmittel nach und testen - die Temperatur sieht gut aus. Danach noch kochen, wegräumen. Zu guter Letzt schneidet Ines uns beiden noch die Haare und wir verpassen uns noch einen Biker Bart. Statt um 12 Uhr kommen wir um 17 Uhr weg. Immerhin. Dafür, dass wir quasi nur zu zweit arbeiten um Ines zu schonen, gar nicht so schlecht.

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