Auf nach Afrika: Ceuta & Tanger
Wir beschließen gemeinsam mit unseren Freunden Tim und Heli von der Moana weiterzufahren. Nachdem die beiden schon in Gibraltar waren, wollen wir in die spanische Enklave Ceuta, die direkt gegenüber von Gibraltar umgeben von Marokko liegt. Mit dem nächsten Wetterfenster brechen wir einen Tag nach Ines Geburtstag auf. Spontan beschließen zwei weitere Segler in unserem Alter, Joseph und Noa auf der Marlin, ebenfalls nach Ceuta zu fahren und so bleiben wir beinahe die ganze Strecke mit zumindest einem der beiden Boote in Funkkontakt. Anfangs ist der Wind schwächer als vorhergesagt und wir müssen sogar motoren. Da guter Wind vorhergesagt war, tanken wir nicht mehr voll und wissen daher, dass wir nicht die gesamte Strecke unter Maschine zurücklegen können.
Zum Glück ist bald genug Wind für unser Leichtwindsegel und wir düsen davon. Tim und Heli hängen wir bei der Aktion ab - sie sind mit ihrem Boot etwas langsamer, obwohl es länger ist als unseres. Wir lassen zum ersten Mal unsere Handleine (danke Johannes für die Ausrüstung) mit einem pinken Köder ins Wasser und basteln uns mit einer Gummileine und einer Dose eine Vorrichtung, die scheppern soll, sobald etwas anbeißt. Und wirklich nach ein paar Stunden schlägt die Dose gegen die Cockpitwand. Wir sind kurz überfordert, denn mit einem Biss beim ersten Versuch haben wir nicht gerechnet. Doch sobald wir die Leine einholen wollen, scheppert es schon nicht mehr - es ist kein Zug mehr auf der Leine. Wir holen sie trotzdem ein und bemerken, dass der Köder fehlt. Ein Fisch hat ihn offensichtlich abgebissen oder abgerissen. Wir bringen einen neuen grünen Köder an, doch es bleibt die restliche Fahrt ruhig.
Mit Leichtwindsegel geht es gut bis in die Nacht gen Süden. Vor Sonnenuntergang begleiten uns noch Delfine und spielen in der Bugwelle des Boots. Bei der Halse, die uns Richtung Westen bringen soll, verheddert sich das Segel und es gibt nächtliche Action am Vordeck. Wir bekommen die Leinen nicht mehr entwirrt und nach einigem Probieren stopfen wir das Segel einfach in die Vorschiffskabine mit den Leinen nach draußen, noch um das Vorstag gewickelt. Die Luke können wir nicht mehr ganz zumachen, aber zum Glück ist die Welle moderat und spritzt nicht an Deck. Damit haben wir das Problem zumindest zwischenzeitlich gelöst. Nur mehr unter Großsegel geht es in die richtige Richtung - gen Westen.
Nach dem Sonnenaufgang holen wir auch das Vorsegel raus baumen es aus und fahren Schmetterling. Wir machen gute Fahrt doch haben wir auch gute Gegenströmung, die uns bremst. Der Atlantik speist das Mittelmeer ständig mit Wasser und ist 3 m höher als das Mittelmeer. Ohne diesen Zufluss wäre das Mittelmeer ausgetrocknet, da mehr Wasser verdunstet als durch Niederschläge und andere Zuflüsse nachfließt. Daher ist auch der Salzgehalt im Mittelmeer leicht höher. Diese Beschaffenheit macht es allerdings auch schwierig für uns in den Atlantik zu kommen. Nach einer langen Fahrt erreichen wir als 2. Boot um ca. 22 Uhr Ceuta und werden dort von Noa und Joseph vom Segelboot Marlin empfangen. Um 4 Uhr in der Früh empfangen wir im Gegenzug Tim und Heli und helfen ihnen beim Festmachen ihres Bootes. Erstmal ausschlafen.
Am nächsten Tag gibt es eine gemeinschaftliche Lagebesprechung bei Churros und marokkanischen Minztee am Markt von Ceuta. Der Markt hat schon einen guten nordafrikanischen Flair und lässt einen nicht vermuten, dass man in Spanien ist. Aufgrund des Wetters und der Strömungen wollen wir noch am selben Tag um 23:00 Richtung Tanger aufbrechen. Wir erledigen alle Formalitäten, wobei uns die Polizei versichert es ist nichts nötig, um mit dem Boot aus dem Schengengebiet und der EU auszureisen.
Danach geht es eine Runde durch die Stadt. Diese zeigt sich vor allem skurril. Direkt neben der Marina gibt es einen Heliport von wo aus täglich viele Male Helikopter lautstark Richtung spanischem Festland fliegen. Das Gesamtbild ergibt eine modernere nordafrikanische Stadt mit gepflegten Häusern in der ersten Reihe, die scheinbar vor allem von ihrer Ausnahme aus der spanischen Mehrwertsteuer lebt. Es gibt überall Duty free Shops, mit Alkohol und Parfums, wie man das in vielen Grenzgebieten findet. Es gibt nur ein paar wenige Sehenswürdigkeiten wie das kleine arabische Bad und das skurrile Drachenhaus. Der schnelle Abschied fällt uns daher nicht allzu schwer.
Nachdem wir uns am kulinarischen Höhepunkt Pizza von Dominos gelabt haben, lösen Moana (Tim und Heli), Marlin (Joseph und Noa) und wir die Leinen. Eingestellt auf eine lange Fahrt unter Motor - wegen der Gegenströmung - brechen wir auf. Die Fahrt ist nicht nur wegen der Strömung tricky sondern auch wegen der Orcas, die seit 2020 immer wieder Segelboote angreifen, am Ruder rütteln und diese zerstören. Wegen beider Aspekte halten wir uns nahe an der Küste. In Sichtweite und mit ständigem Funkkontakt fahren wir in Konvoi hintereinander. Die Fahrt ist ungewöhnlich. Wir sehen die starkbeleuchtete Grenze von Ceuta nach Marokko und wir werden beinahe die ganze marokkanische Küste entlang immer wieder von Suchscheinwerfern angeleuchtet.
Wir haben sogar leichten Rückenwind und können so mit Vorsegel und Motor etwas schneller vorankommen. Generell gestaltet sich die Fahrt unerwartet schnell (wir haben mit 10-13 Stunden gerechnet) und lustig, da wir uns ständig über Funk unterhalten. Kurz werden wir vor dem Frachthafen Tanger Méditerrannée ausgebremst als ein 400 m langes Containerschiff - von Port Control auf Funkkanal 14 angekündigt - vor uns in den Hafen fährt. Danach werden zu unserer Verwunderung alle Boote angehalten, damit wir sicher vorbeikönnen. Zwischenzeitlich werden wir noch draufhingewiesen, dass hier nicht unser Zielhafen Tanger ist und wir noch 15 Seemeilen weiterfahren müssen. Port Control gibt sich erst zufrieden als Moana ausdrücklich bestätigt, dass wir wissen, dass wir vor Port Tanger Mediterranée sind und wir noch weiter fahren müssen. Gegen Ende der Strecke gibt es noch Spießrutensegeln durch die Fischerbojen. Diese sind überraschenderweise sogar alle beleuchtet. Kurz vor der Einfahrt zur Marina Tanja Bay erleben wir noch einen Beinaheunfall als ein Fischer schnurstracks auf Moana zuschießt und nur durch deren Abdrehen in letzter Sekunde eine Kollision verhindert.
In Tanger angekommen, werden wir von freundlichen Marineros empfangen, welche uns direkt durch den Einklarierungsprozess führen. Nach drei ausgefüllten Zetteln (immer mit den selben Informationen) und einer Vorsprache bei der Polizei, wird noch unser Boot vom Zoll durchsucht. Unsere Drohne müssen wir in Gewahrsam geben und leider müssen wir uns von unserer Rubbelweltkarte verabschieden, da dort Westsahara als Land aufgeführt wird. Danach gibt’s es noch ein Anlegerbier und Gemüsepaella auf Moana, bevor wir um 6 Uhr schlafen gehen.
Überfahrt von Almerimar nach Ceuta in Zahlen:
Distanz: 148 Seemeilen, davon unter Segel: 119 Seemeilen
Zeit: 1 Tag 10 Stunden 39 Minuten
Durchschnittsgeschwindigkeit: 4,6 Knoten
Anzahl gesehener Sonnenuntergänge: 2
Tierwelt: eine Delfinschule, die uns begleitet
Überfahrt von Ceuta nach Tanger in Zahlen:
Distanz: 27 Seemeilen unter Motor
Zeit: 7 Stunden 47 Minuten
Durchschnittsgeschwindigkeit: 3,5 Knoten
Funksprüche mit Hafen Tanger Méditerrannée: unzählige
Am Nachmittag erkunden wir zu 6. die Stadt und starten mit einem Brunch. Die Medina (Altstadt) von Tanger ist überraschend gepflegt, sauber und unaufdringlich. Wir werden nur einmal angesprochen, ob wir etwas kaufen wollen - von Marrakesch sind wir das ganz anders gewohnt, wo man dauernd angesprochen wird . Wir gehen auf den Markt und versuchen um einen Käse zu feilschen. Am Ende schaffen wir es gratis Minze dazu zu ergattern, auch wenn Tim diese als Ausschussware ansieht - ein kleiner Triumph in einer fremden Kultur. Die Aromen am Markt sind intensiv, die Gewürzstände gut sortiert. In der Fleisch- und Fischzone werden die Gerüche einigen von uns zu intensiv und wir flüchten nach draußen. Wir entdecken auf der Außenseite des Marktes ein kleines typisches Café und trinken einen Gewürzkaffee. Ganz am Anfang der Medina lassen wir uns in einem urigen Grilllokal draußen nieder. Es gibt dreierlei Spieße, faschierte Bällchen und Würstel dazu Salat und Fladenbrot. Statt Bier gibt es Minztee und frische Fruchtsäfte, eine willkommene Abwechslung.
Nach einem langen Tag begeben wir uns früh in die Waagerechte. Joseph und Noa wollen am nächsten Tag mit dem Auto fünf Tage Marokko erkunden und müssen früh auf. Tim und Heli schwanken zwischen Überfahrt mit uns oder in Tanger bleiben, daher verschieben wir das abendliche Beisammensein auf den nächsten Tag - eine Fehlkalkulation, da die beiden spontan aus familiären Gründen am nächsten Tag nach Hause müssen. Wehmütig bringen wir sie am nächsten Tag zum Flughafenbus und verabschieden uns nach zwei Wochen beinahe täglichem Beisammensein auf unbestimmte Zeit. Wir sind also völlig unerwartet wieder alleine, wie ungewohnt. Mit vielen frischen Lebensmitteln von Tim und Heli starten wir die Vorbereitungen für unsere erste längere Überfahrt.
Die Etappe auf die Kanaren wird als mittelmäßig anspruchsvoll eingestuft, da der Nordostpassat hier noch nicht so konstant weht. Unser Wetterfenster sieht ebenfalls durchschnittlich aus - starker Wind und Regen die ersten 2 Tage. Danach soll es gemütlich bis windlos werden. Wir putzen, räumen das Boot zusammen und gehen abends in die Stadt Essen. Neben uns läuft der Fernseher mit Aufnahmen eines irakisch-saudischen Musikstars, Majid Al Mohandis, welche uns in den Bann ziehen, da sie für uns ungewöhnlich sind. Das Orchester sitzt in U Form im typisch arabischen Gewand auf reichlich verzierten breiten Stühlen, wobei der des Stars beinahe ein Doppelsofa ist. Der Raum verkleidet mit orientalischen Teppichen. Euphorie wird für westliche Verhältnisse verhalten zum Ausdruck gebracht. Es gibt keine überbordenden Bewegungen, ein wenig wie im VIP Bereich eines westlichen Konzertes.
Im Regen laufe ich eine Runde zum Boot Bargeld holen. Generell ist es kalt und regnerisch und wir stellen hier in Marokko unerwartet erstmalig auf dieser Reise unser Cockpitzelt auf. Im Carrefour gehen wir um 22 Uhr einkaufen, da immerhin sonntags geschlossen ist. Es gibt viel Importware zu teilweise saftigen Preisen. Allerdings auch heimische oder zumindest arabische Lebensmittel wie Hummus in der Dose, Datteln oder Babaganoush. Da schlagen wir zu um ein wenig Abwechslung in unser haltbares Lebensmittelsortiment zu bringen.
Am nächsten Tag kochen wir Curry, Grillgemüse und eine Art Tzatziki, verfeinert auf marokkanische Art mit der Ausschussminze. Damit sorgen wir für die ersten ruppigeren Tage vor. Wir spazieren noch eine Runde an diesem sonnigen Tag durch die Altstadt und verlaufen uns für kurze Zeit in einen einsamen Teil von engen verworrenen Gassen. Überall sitzen unbehelligt, wohlgenährte und gepflegte Katzen, die sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Wir essen noch eine Tajine und treffen uns noch kurz mit Segelfreunden, welche wir vom Sandplatz in Almerimar kennen und die gerade aus Gibraltar angekommen sind. Dann geht es früh ins Bett, um morgens alles fertig zu machen und die Ausreiseformalitäten anzutreten.
Nach weiteren Wetterrecherchen in der Früh zögern wir, da es auf der Strecke gewittert. Wir beschließen die Abfahrt trotzdem zu wagen und kommen, wie immer, später als geplant los. Die Zöllner, welche unsere Drohne im Gewahrsam haben, brauchen fast 2 Stunden um diese zu retournieren und so kommen wir erst um 14:00 los.