Riggcheck im Hasenmodus
Am 6.7.2024 fahre ich in einer geplanten Frühmorgenaktion nach Rosignano in die Marina, um mich dort mit meinem, frisch von einer Woche Segeln erholten, Schwiegervater Herbert (Codename: Hase* zu treffen. Nachdem ich ihm bereits 2023 einen versprochenen Segelurlaub mit seiner Frau (meiner Schwiegermutti Christa) in einen stressigen Arbeitsurlaub an Land und ohne seine Frau umwandeln musste, ging ich das Unterfangen in diesem Jahr taktisch klüger an. In einer gemütlichen Bucht im Mai eröffnete ich ihm, dass es doch ganz praktikabel wäre, wenn er direkt anschließend an seinen Segelurlaub auf der Vaquita (diesmal mit seiner Frau und Freunden), zu verlängern. Gemeinsam würden wir entspannt, mit meinem Rigger des Vertrauens Antonio, den Mast legen, um das Rigg zu checken. Den Rigger meines Vertrauens habe ich im besagten Arbeitsurlaub im Jahr zuvor am Sandplatz (2023) kennengelernt und habe ihn seither in diversen Kurzarbeitseinsätzen, als verlässlich, freundlich und kompetent erlebt. Nachdem ich ihm unser Vorhaben erläutert habe, legte er uns einen umfangreichen Riggcheck ans Herz. Dieser Riggcheck würde voraussichtlich in 3 Tagen erledigt sein. Mit genau diesem italienischen Optimismus gab ich die Einladung für den Arbeitsurlaub auch an Herbert weiter, der sich - wohl der wohligen Umgebung der Ankerbucht geschuldet – relativ schnell, nach Rücksprache mit Christa, bereit erklärte mir zu helfen. Da schnappte die Falle wieder zu.
*Hase ist der Spitzname von Christa für Herbert. Der Name ist Programm, braucht man SCHNELL was Handwerkliches erledigt, gibt es in der Familie keinen der mithalten kann.
Nach 9 Stunden Autofahrt treffe ich endlich mein Schwiegervater Hase außergewöhnlich entspannt am Boot, als er gerade dabei war die letzten Spuren des vorangegangenen Törns zu beseitigen. Über die diversen Törns im Mai haben wir bereits eine gute To Do Liste zusammengetragen um unsere voraussichtlichen Lücken, neben dem entspannten Rigg Check zu füllen. Um uns einen komfortablen Vorsprung zu erarbeiten, fingen wir direkt an einige Kleinigkeiten zu beheben. Der Solarladeregler zeigt nichts mehr an, kein Problem, den Dieseltank inspizieren easy, den kaputt gegangenen Wasserstandssensor tauschen, großes Problem. Nach diversem Abmühen zu zweit mit unterschiedlichsten Gabelschlüsseln geben wir auf…zumindest für heute. Kurz schwimmen und dann zum obligatorischen Besuch in der Stammpizzeria zu Francesco. Danach sehen wir uns noch kurz die Instruktionen von Antonio zum Treffpunkt hinter dem Hafen von Livorno an. Nachdem wir die 11 Seemeilen zum Hafen von Livorno zurückgelegt haben sollen wir durch den gesamten Industriehafen fahren (weitere 3 Seemeilen = 40 min Fahrzeit), dann müssen wir die Brücke oder doch mehrere Brücken? (der Name verrät es eigentlich: Ponti Calambrone) auf Kanal 77 anrufen, um dort unsere Durchfahrtsabsicht anzukündigen.
So weit so gut, das heißt um 6 Uhr Tagwache und um 6:30 ablegen. Die Fahrt duch den Hafen von Livorno ist aufaufregend, denn es geht vorbei an diversen großen Pötten und unter den Brücken durch. Um ca. 10:15 erreichen wir ohne göbere Zwischenfälle den in den Instruktionen angegebenen gelben Kran des Cantieres Tecnomarine.
Nur einmal werden wir von einem durch den Hafen geschleppten großen, roten Tanker unmotiviert an- oder eher niedergehupt. Antonio erwartet uns bereits und gibt uns Instruktionen die Segel abzuschlagen (abschlagen = abnehmen). Danach hilft er uns mit dem Fixieren des Tauwerks um den Mast abzunehmen und den diversen sonstigen Arbeiten, welche nötig sind um den Mast zu legen. Am Nachmittag liegt der Mast und erste Inspektionen, lassen erahnen, dass – Überraschung! – mehr zu tun ist als angenommen. Die Befestigung von Baum zu Mast (Lümmelbeschlag) bedarf einer Überholung, das Vorstag bzw. die Profurl Rollanlage benötigt ein wenig Liebe und beim Entspannen der Wanten zeigt sich, dass die erst 4 Jahre alten Drahtseile, wohl doch getauscht werden sollten (die meisten Versicherungen verlangen einen Tausch der Drahtseile spätestens alle 10 Jahre).
Zusammen mit den selbst gesammelten Projekten: neues Navigationslicht + Kabel, neuer Windmesser + Kabel, Montage des Radarreflektors, Reparatur der Reling, Abdichten der Ankerwinde, Tausch der Ankerkette und neue Abdichtung des Windshields eine stattliche Liste, die bereits erahnen lässt, dass das mit dem gemütlichen Arbeitseinsatz wohl auch diesmal nichts wird. Um 21:00 Uhr begeben wir uns entlang der Hauptstraße durch das Industrieareal des Hafens, auf Empfehlung des Riggers Antonio in das zweitbeste Lokal in der näheren Umgebung. Dort erleben wir touristisch unberührtes italienisches Industriekneipenflair. Im klimatisierten Innenraum speisen wir zu Hauswein, Salat, Pizza und Pasta. Das Ganze gibt’s zu vom Massentourismus verschonten Preisen. Die Nacht verbringen wir am Boot neben dem Cantiere.
Am nächsten Tag erfahren wir beim morgendlichen Arbeitseinsatz konträr zu vorherigen Informationen, dass wir nicht neben dem Cantiere liegen und wohnen durften. Also schmieden wir einen neuen Plan mit Antonio. Wir erledigen noch was möglich ist am Masten und fahren pünktlich zur ersten Öffnung der Brücken um 15:30 ohne Mast nach Rosignano zurück in die Heimatmarina. Antonio kümmert sich um die Besorgung der neuen Drahtseile und sonstigen Ersatzteile und wir werden den Tag darauf in der Marina in Rosignano den anderen Projekten nachgehen. Am Donnerstag treffen wir uns wieder im Cantiere Tecnomarina - allerdings mit dem Auto - um die Arbeiten am Masten zu finalisieren, gesetzt alle Teile treffen bis dahin ein. Freitags soll dann der Mast gestellt werden und das Rigg getrimmt werden (also die Spannung der Drahtseile richtig einzustellen) und wir würden mit zum Großteil fertiger Arbeit wieder zurückkehren können. So der Plan.
Nachdem wir zu zweit mit dem riesigen Engländer2 (verstellbarer Schraubenschlüssel) den Wasserstandsmesser besiegen, machen wir uns mit unserem Boot ohne Mast wieder auf den Weg in die Marina um dort rechtzeitig in der Stammpizzeria, so hoffen wir, den Sieg der österreichischen Fußballmannschaft gegen die Türkei zu feiern.
Mit dem Sieg unserer Nationalmannschaft klappt es bekanntlich nicht so gut. Getröstet von den Italienern im Lokal (eure Mannschaft hat wenigstens gut gespielt), die vorher unrühmlich gegen die Schweiz ausgeschieden sind, machen wir uns auf den Rückweg in die Marina.
Tag 3 Mittwoch: Wir reparieren planmäßig die Reling um weiteren, ungewollte Schwund an Mannschaft zu vermeiden. Schließlich ist es schwierig bei einer maximalen Besatzung von 6 Person unter der Insignifikanzschwelle von 10% zu bleiben. Als nächstes machen wir uns an die undichte Ankerwinde. Diese ringt uns Nerven und Kraft in unerwartetem Ausmaß ab. Nach 3 Stunden abwechselndem Rütteln und Hebeln mit diversen Schraubenschlüsseln schaffen wir es den völlig festgefressenen Schaft der Ankerwinde vom Motor zu lösen. Das Dichtungsbild, welches sich uns offenbart sieht zumindest aus technischer Sicht betrachtet suboptimal aus und erklärt den Wassereintritt. Wir beheben zumindest einen Teil des Lecks, den Rest müssen wir verschieben, da sich der Tag dem Ende neigt.
Tag 4 Donnerstag: Wir kleben das Windshield ab, um die Verglasung neu abzudichten. Damit ist der Vormittag auch beinahe hinüber und machen uns auf den Weg in einen kleinen Handwerksladen, um die uns aufgetragenen Sachen zu besorgen. Von dort geht es direkt in den Cantiere um den Mast zum Stellen bereit zu machen. Antonio hat gute Neuigkeiten, die Drahtseile aus Mailand sind eingetroffen und die sonstigen essenziellen Teile ebenfalls. Eifrig reinigen wir sämtliche Splinte und Bolzen und montieren wir wieder alles an den Masten. Abends räumen wir noch den Proviant, der im September aufs Boot soll, aus dem Auto , tauschen die Ankerketten und bringen anschließend noch die Sachen zum nach Hause nehmen aus der Garage ins Auto. Nach einem Restlessen und einem Absacker legen wir uns schlafen, da wir morgen gleich früh morgens mit unserem mastlosen Boot nach Livorno müssen.
Tag 5 Freitag: Um 6:30 legen wir wie geplant ab, queren den Hafen nun zum 3 Mal deutlich entspannter, um bei den Brücken ausgebremst zu werden. Es gibt ein Problem – wir finden nie heraus welches – und wir kommen erst mit Verspätung durch. Antonio erklärt uns daraufhin auch relativ bald, dass wir erst viel später gekrant werden sollen als geplant und wir eventuell nicht mehr durch die Brücken (letzte Durchfahrt 17:30) kommen. Nachdem ich ihm erkläre, dass Herbert spätestens morgen Samstag 15:00 Uhr zu Hause sein muss und wir daher heute durch die Brücken müssen, beschließen wir den Mast nur zu stellen und auf das Notwendigste zu trimmen, damit wir noch durch die Brücke kommen. Nachdem bereits alles am Vormittag fertig ist, widmen wir uns dem Verfugen des Windshields. Es ist ein grausliche patzige Angelegenheit mit Sikaflex (ähnlich Silikon nur schwarz oder weiß). Nach 3 Stunden verfugen in der prallen Sonne, steht Antonio plötzlich parat und meint, wir können nun doch schon den Mast stellen. Wir putzen uns notdürftig die Hände und legen los. Während die letzten Handgriffe zur grundlegenden Befestigung des Mastes getätigt werden – ein äußerst kritischer Moment, damit der Mast wieder von selbst steht – unterbricht der Brückenwart unsere Arbeit. Dabei wird Antonio, unser durchwegs grundentspannter Rigger, erstmalig leicht grantig. Der Brückenwart verkündet, dass wir heute früher als gewöhnlich durch die Brücke müssen. Wir legen also nochmals einen Zahn zu befestigen alles in Rekordzeit, um gerade so fertig zu werden. Alles nur, um dann…erst recht zu warten. Schlussendlich kommen wir nach längerer unerklärter Wartezeit durch die Brücke und wieder gut zurück nach Rosignano. Dort schwimmen wir noch eine Runde und richten alles für unsere frühmorgendliche Abreise am Samstag her.
Tag 6 Samstag: 3:00 Uhr morgens brechen wir dreiviertel getaner Arbeit Richtung Heimat auf. Am frühen Nachmittag kommen wir von einem nicht so entspannten Arbeitseinsatz wieder gut in Wien an. Immerhin 45 Seemeilen und zweimal baden 😊